ALSFELD (ls). Einstimmig wurde es nicht beschlossen, der städtische Etat für das kommende Jahr – und doch steht er – und enthält neben einem Millionen-Defizit, deckenden Rücklagen und Einflüssen der Koalition außerdem auch ein Stück ALA. Bei den Haushaltsreden führte Riese nochmals vor Augen, dass in Sachen Klimaschutz „schneller“ und „mehr“ eine Notwendigkeit seien, während sich die CDU zufrieden mit dem Zahlenwerk zeigte.
Knapp 1,3 Millionen Euro im Minus: Das war die spannendste Zahl im Etat für 2022, weil die Stadt damit weiterhin einen defizitären Haushalt plant – und der fällt nun sogar noch etwas schlechter aus, als zu Beginn der Haushalts-Debatten eigentlich geplant. Zunächst war bei der Haushaltseinbringung nämlich eigentlich noch mit einem Defizit von nur 724.873 Euro im Ergebnishaushalt geplant worden.
Einige Posten mussten allerdings korrigiert werden und insbesondere die Erhöhung der Schulumlage von knapp zwei Prozent mache sich deutlich bemerkbar, erklärte Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule im letzten Haupt- und Finanzausschuss in diesem Jahr bereits. Auch im Bereich des Bauamts gab es Anpassungen, so musste beispielsweise die Sanierung des Parkdecks Schnepfenhain, die später in der Sitzung beschlossen wurde, nicht bedacht werden. Und drei Spielplatz-Sanierungen kamen ebenfalls dazu.
„Sie wollen sich zum Totengräber der Geschäfte in der Innenstadt machen“
So wird beispielsweise für 75.000 Euro der Spielplatz im Schnepfenhain saniert, die Mauer dort ist marode. Für 20.000 Euro sollen Spielgeräte für die Spiellätze angeschafft werden und auch die Plätze in Fischbach und Reibertenrod werden erneuert.
Alexander Heinz (CDU): Trotz Krise noch Luft zum Atmen und Gestalten
„Der Krieg, die Teuerungsraten und die Inflation machten die Haushaltsplanungen in diesem Jahr nicht leicht. Trotzdem ist es der Verwaltung gelungen, einen Haushalt aufzustellen, der eine weitere positive Entwicklung der Stadt ermöglicht und der Investitionen zulässt“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Heinz zu Beginn seiner Haushaltsrede. Auch das Defizit von 1,3 Millionen Euro könne durch die gute Haushaltsführung der letzten Jahre und durch die Rücklagen ausgeglichen werden.
Der Opposition – insbesondere der ALA – riet er sich, den Haushalt der letzten Jahre genauer anzuschauen, ehe sie sage, dass sich in der Stadt nichts bewegt. Darin sei deutlich zu sehen, dass viel investiert wurde und dennoch Rücklagen gebildet wurden. Die würden nun dafür sorgen, dass das Defizit nicht die Luft zum Gestalten abschnüre. „Trotz Krise bleibt genügend Luft zum Atmen und Geld zum Gestalten“, sagte Heinz. Auch wenn die CDU die allermeisten Anträge nicht mittragen werde, wünschte er sich von der Opposition, dass sie dem Haushalt zustimmt.
Christoph Stüber (SPD): Investieren nur um des Investierens willen
Den Gefallen konnte die SPD der CDU nicht tun: Sie werde dem Haushaltsentwurf nicht zustimmen, ihn aber auch nicht ablehnen, erklärte Christoph Stüber in der Haushaltsrede der Fraktion. Der Fraktion fehle eine Antwort darauf, wie Kredite und Schulden in Zukunft abgetragen werden sollen, sollte sich die weltpolitische Lage nicht so schnell erholen. Zwar würden die Steuereinnahmen steigen und es gebe genügend Rücklagen, um das Millionen-Defizit auszugleichen, doch würden auch die Ausgaben steigen – und dennoch werde weiter investiert, würden neue Kredite aufgenommen.
Bis Ende 2023 würden dadurch die Schulden der Stadt auf über 36 Millionen Euro ansteigen. Damit nicht genug: Bis Januar 2026 sollen die prognostiziert sogar bei 78,3 Millionen Euro liegen. „Es hat den Anschein, der Bürgermeister möchte investieren, nur um des Investierens willen“, sagte Stüber. Das seien Schulden, die die künftigen Generationen schultern müssten.
Achim Spychalski-Merle (UWA): Opposition hat Spuren im Handeln hinterlassen
Auf diese Rücklagen ging auch UWA-Fraktionschef Achim Spychalski-Merle in seiner Rede ein: „Wir haben in den vergangenen Jahren gute Ergebnisse erzielt und Rücklagen geschaffen, die uns erlauben, handlungsfähig zu bleiben.“ Das sei nicht nur der Koalition zu verdanken, sondern auch der Arbeit der Opposition, die im Handeln der Koalition Spuren hinterlassen habe. Dabei nannte er die Diskussionen um Tempo-30-Zonen als Beispiel. Die habe es nur gegeben, weil die ALA hartnäckig immer wieder darauf hingewiesen habe. „Ich danke dem Koalitionspartner und der Opposition für jede Diskussion und jeden Schlagabtausch des vergangenen Jahres“, sagte Spychalski-Merle.
Trotz guter Rücklagen dürfe aber auch die Vorsicht bei der Finanzplanung nicht außer Acht gelassen werden. Das Defizit und die aktuelle Lage in der Welt würden Risiken mit sich bringen, sagte er und bestätigte damit die Ausführungen von Stüber. Die UWA wisse um die Risiken, sehe sie und versuche sie runterzubrechen. Trotz aller Risiken seien aber die geplanten Investitionen richtig, wichtig und gut.
Michael Riese (ALA): Mehr und schneller sind Notwendigkeit geworden
Dass in der Stadt nichts passieren würde, so ALA-Chef Michael Riese in seiner Haushaltsrede, habe er nie behauptet. In Alsfeld geschehe schon etwas, allerdings zu langsam. Damit spielte Riese auf das für ihn brennendste Thema an: den Klimaschutz, bei dem man global denken und lokal handeln müsse. „Wenn man sich die Entwicklung und Krisenhaftigkeit beim Klima vor Augen führt, dann ist dieser Satz wichtiger geworden als jemals zuvor in Vergangenheit“, sagte Riese. Für Kommunen werde es wichtig, schneller und mehr in Klimaschutz-Fragen zu tun. Das geschehe in Alsfeld nicht. „Die Zeiten haben sich geändert. ‚Mehr‘ ist nicht mehr nice to have, sondern eine Notwendigkeit, ’schneller‘ ist auch nicht nice to have, sondern auch eine Notwendigkeit“, sagte Riese.
Die Investitionsschwerpunkte im Haushalt ließen sich unter Kinderbetreuung, Infrastruktur und Wohnen zusammenfassen, der Klimaschutz fehle hier komplett, auch wenn versteckt in dem Zahlenwerk doch etwas dafür getan werde. „Die tauchen dort textlich nicht auf. Das heißt nicht, dass wir nichts machen, aber es ist doch bezeichnend, wenn das Thema nicht einmal eine Erwähnung findet“, erklärte er. Man müsse sich bei den Investitionen ebenfalls darauf konzentrieren diese schnell zu tätigen – und nicht von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr zu schieben.
Unter diesen Voraussetzungen wollte die ALA den Haushalt für das kommende Jahr nicht mittragen: Mit 20 Ja-Stimmen der CDU/UWA, 4 Enthaltungen aus der SPD und ALA und drei Nein-Stimmen aus der ALA wurde der Haushalt dennoch verabschiedet.
Fünf Anträge der Fraktionen angenommen
Auch die Anträge der Fraktionen zur Haushaltsplanung dürften dabei eine Rolle gespielt haben. Insgesamt zwölf Anträge waren es, die die Fraktionen in diesem Jahr zum Haushalt einbrachten, lediglich fünf davon schafften es nach der Abstimmung im Stadtparlament auch wirklich rein. Ohne große Überraschung waren es es vier Anträge der CDU/UWA-Koalition. So soll es künftig 5.000 Euro für die Weihnachtsfeier der Verwaltung geben, mit einer Enthaltung wurde der Antrag einstimmig beschlossen.
Das gleiche Abstimmungsergebnis gab es auch für den CDU/UWA-Antrag zur Erhöhung der Vereinsförderung, die sich künftig auf 75.000 Euro belaufen soll und auch für die Mittel eines Fußgängerüberwegs in der Wallgase herrschte Einigkeit. 75.000 Euro will die Koalition außerdem für eine Machbarkeitsstudie für ein medizinisches Versorgungszentrum einplanen – das sorgte allerdings für gespaltene Meinungen, denn mit den sieben Gegenstimmen von SPD und ALA wurde der Antrag zwar angenommen, aber nicht einstimmig.
Koalition will medizinisches Versorgungszentrum für Alsfeld prüfen lassen
Die SPD, deren Anträge schon im Ausschuss scheiterten, zog ihren Antrag zum Minnigerodehaus zurück. Die Vereinsförderung, die abgeändert wurde und eine Deckelung von höchstens 300 Euro pro Verein vorsah, bei einem Gesamtbudget von 300.000 Euro, wurde abgelehnt, ebenfalls wie die vorzeitige Sanierung der Straße am Ringofen, für die die Mittel schon im kommenden Jahr bereitstehen sollten.
Auch die ALA zog wie angekündigt den Antrag zum Stadtarchiv zurück und holte mit dem geänderten Antrag für 300.000 Euro für weitere PV-Anlagen einen einstimmigen Teilerfolg. Die Anträge über die Sanierung des Hauses in der Tilemann-Schnabel-Straße, über die Mittel für mehr Barrierefreiheit in Alsfeld und für die Personelle Aufstockung der Klimaschutz-Stelle wurden allesamt mehrheitlich abgelehnt – sorgten aber für eine Brandrede aus der Fraktion von Stadtverordnetem Konrad Rüssel, der in Anbetracht des Dürresommers nochmals eindringlich auf die Bedeutung von Klimaschutz aufmerksam machte.
UWA-Stadtverordneter Dieter Welker skizzierte daraufhin kurz die Alsfelder Klimapolitik. Insgesamt stehe Alsfeld seiner Meinung nach bereits gut dar – auch mit Blick auf Erzeugung durch Windkraft, allerdings fehle auch noch ein ganzes Stück. Er warnte davor, die Situation weltweit in einer Rede auf eine Stadt in der Größenordnung wie Alsfeld runterzubrechen, wenngleich auch Alsfeld seinen Anteil tragen müsse. Da sei man auf einem guten Weg.
„Wenn wir etwas bewegen und verändern wollen und weiteres Unheil verhindern wollen, dann müssen wir nicht nur im eigenen Verhalten das Ruder umreißen, sondern auch in der politischen Haltung“, erklärte ALA-Stadtverordneter Walter Windisch-Laube unterstützend zu Rüssels Ausführungen. Das gelte auch für die politische Haltung in Alsfeld. Jetzt müsse ein größerer Wurf gemacht werden und in den Bereich Klimaschutz investiert werden, sagte Windisch-Laube und zitierte Georg Christoph Lichtenberg mit den Worten: ‚Ich weiss nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll‘.
Schnepfenhain-Aufwertung beschlossen, Kita-Erweiterung ebenfalls
„Wir sind in einer Situation, in der wir nicht mehr anders können, als Dinge zu ändern ohne genau zu wissen, was dabei am Ende für die Nachfolge-Generation raus kommt“, sagte er. Viele Dinge in der Geschichte hätten ihre Ursprung darin, dass aus dem bestehenden System herausgetreten werde. Auf diesen Weg müsse man sich nun begeben.
Übrigens: Die Sanierung des Parkdecks am Schnepfenhain wurde gemäß der Magistratsvorlage mehrheitlich beschlossen, das Sanierungskonzept der Kita Bechtelsberger Strolche kann ebenfalls umgesetzt werden und mit der einstimmigen Zusage des Stadtparlaments geht auch die geänderte Klimaschutzförderrichtlinie im kommenden Jahr wieder an den Start.
Kita-Erweiterung in Berfa für voraussichtlich 7,1 Millionen Euro
Der Beitrag Brandrede für den Klimaschutz statt Einigkeit im Haushalt erschien zuerst auf Oberhessen-Live.