UPDATE|ALSFELD (bk/jal). Bei einer Pressekonzferenz im Alsfelder Rathaus wurde bekannt gegeben, dass in Alsfeld die höchsten Abgaswerte in ganz Hessen gemessen wurden – das zumindest ist das Ergebnis einer kürzlich stattgefundenen Messung auf Initiative der Deutschen Umwelthilfe. Wie belastbar sind die Ergebnisse? Wo genau wurde gemessen? Und drohen jetzt Fahrverbote? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Auf Initiative der Deutschen Umwelthilfe wurden vor wenigen Wochen Stickoxid-Messungen des Bunds für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND, und des Verkehrsclub Deutschlands (VCD) in der Schellengasse und der Alicestraße durchgeführt. Im Rahmen einer Pressekonferenz wurden heute die Ergebnisse im Rathaus bekannt gegeben. Demnach hat Alsfeld die schlechtesten Stickoxid-Werte in ganz Hessen.
Konkret wurden in der Schellengasse 53,5 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) gemessen. In der Alicestraße waren es 27 – allerdings, so teilte der BUND mit, waren dort die Messröhrchen in ihrer Position verändert worden – was die Messergebnisse beeinträchtigen kann. Auf der Pressekonferenz hieß es noch, der hohe Wert sei in der Alicestraße gemessen worden. Der BUND korrigierte die Angabe später in einer Pressemitteilung.
Gemessen wurde insgesamt an 559 Standorten in ganz Deutschland. In der EU-Richtlinie 2008/50/EG – in deutsches Recht mit der 39. BImSchV umgesetzt – ist für den Schutz der menschlichen Gesundheit ein Jahresgrenzwert von 40 µg/m³ im Jahresmittel festgelegt. „59 Prozent (%) der städtischen verkehrsnahen Luftmessstationen registrierten im Jahr 2016 Überschreitungen dieses Jahresgrenzwertes“, heißt es auf der Homepage des Umwelt-Bundesamtes.
Was bedeutet das Alsfelder Ergebnis konkret? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was sind Stickoxide?
Stickoxide sind gasförmige Verbindungen aus Stickstoff (N) und Sauerstoff (O). Bei den Schadstoffen in Auto-Abgasen machen Stickoxide nach Kohlendioxid und Kohlenmonoxid den drittgrößten Anteil aus.
Wo und wie lange werden solche Messungen üblicherweise durchgeführt?
„Nicht direkt unter dem Auspuff“, sagt Professor Doktor Stefan Jacobi vom Hessischen Umweltamt. Ansonsten sollten solche Messungen an Stellen mit höchster Belastung und starken Besucherzahlen durchgeführt werden – und das über einen längeren Zeitraum. Üblicherweise wird ein Jahresmittelwert errechnet. In Alsfeld liefen die Messungen aber nur einen Monat.
Was sagt Bürgermeister Stephan Paule zu den Messungen?
Paule sieht aufgrund der Ergebnisse eine „Schwerverkehrs-Umgehung“ als wünschenswert an – sprich, er möchte am liebsten die LKWs aus der Stadt verbannen, indem sie um Alsfeld komplett herumgeleitet werden sollen. Aktuell sei man bereits an der Umsetzung einiger akuter Maßnahmen. Darunter zähle auch das „Tempo 30“-Projekt, bei dem für LKWs zwischen 22 und 6 Uhr eine Tempogrenze von 30 Kilometern gelten soll.
„Die Straße ist einfach zu klein für den Verkehr oder der Verkehr zu viel für die Straße, je nachdem, wie man es sehen will“, sagte Paule, der nicht sonderlich überrascht über die hohen Werte ist. „Die Messung bestätigt nur, was bereits seit Jahrzehnten bekannt ist. Die Verkehrsbelastung ist einfach zu hoch. Die logische Konsequenz: Viel Verkehr gleich viele Abgase“, sagt er.
Sind die vorliegenden Werte als „offizielle Werte“ zu sehen?
Laut Professor Jacobi sind die Werte das nicht: „Es kommt auf Jahresmessungen an und nicht auf die kurze Dauer. Solche Messungen muss man länger beobachten“, sagte er im Gespräch mit Oberhessen-live.
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In einer Pressekonferenz analysierte Bürgermeister Paule die Ursachen der Ergebnisse der Stickoxid-Messungen.
Warum gibt es in Alsfeld keine offiziellen Messstation?
„Dafür ist das Messstellennetzwerk Hessen zuständig, die bisher noch keine aufgestellt hat. Allgemein gibt es wenige in der Region“, sagt Bürgermeister Stephan Paule.
Drohen nun Fahrverbote als direkte Konsequenz?
„Es wäre wie mit Kanonen auf Spaßen zu schießen“, sagte Jacobi. Als direkte Konsequenz könne er sich vorstellen, dass man den Werten nachgehe und eine längere Beobachtung in Betracht ziehe. „So schnell schießen die Preußen nicht“, sagte er.
Wer könnte im Zweifelsfall doch Fahrverbote verhängen?
Nach Auskunft der Verkehrsbehörde Hessen Mobil liegt die Zuständigkeit dafür, den Verkehr an einer Bundesstraße wie der Alicestraße zu begrenzen, bei der Verkehrsbehörde des Vogelsbergkreises. Antworten auf Fragen von OL an die Pressestelle des Kreises stehen dazu noch aus.
Was sagen der BUND und VCD?
„Dass die Umweltverbände die Messungen durchführen um die Luftqualität überprüfen ist ein ungewöhnlicher Sachverhalt. Wir fordern behördliche Messungen, die aussagekräftig sind und dazu beitragen die Diskussion zu versachliche“, fordert Wolfgang Dennhöfer von den Naturschützern. Weil drei Bundesstraßen unmittelbar durch Alsfeld führten sei zu erwarten gewesen, dass die Stickoxidwerte erhöht seien. „Die Werte sind alarmierend hoch. In Hessen ist kein höherer Messwert bekannt! In Alsfeld müssen umgehend Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan umgesetzt werden.“ sagt Gerhard Kaminski vom VCD. Auf allen politischen Ebenen müssten nun Maßnahmen ergriffen werden um die Luftqualität zu steigern.
Wer ist die Deutsche Umwelthilfe?
Die Deutsche Umwelthilfe ist ein 1975 gegründeter Naturschutzverein, der sich mit Organisationen wie Green Peace oder dem Nabu vergleichen lässt, aber wesentlich kleiner ist. Ihr Budget liegt bei jährlich gut 8 Millionen Euro. Aktuell macht die Umwelthilfe vor allem Schlagzeilen, weil sie sich für Diesel-Fahrverbote stark macht und entsprechende Prozesse führt. Auch für die Einführung des Dosenpfands hat sich der Verein der Tagesschau zufolge stark gemacht.
Der Verein ist dabei nicht ganz unumstritten. Ein Großteil seines Geldes macht er nämlich nicht mit Spenden, sondern mit Klagen gegen Unternehmen, die seiner Meinung nach Umweltgesetze verletzten. Kritiker bezeichnen das als Geldmacherei. Der Verein verteidigt sich. Man sei eine vom „Bundesamt für Justiz zugelassene Verbraucherschutzorganisation“, die durch ihre Klagen ein notwendiges Korrektiv gegenüber dem Staat sei, der bei Umweltgesetzesbrüchen „aktives Wegschauen“ betreibe.
Dieser Text wird laufend ergänzt.
Weitere Fotos von der Pressekonferenz:
Der Beitrag Faktencheck: Das steckt hinter den hohen Abgaswerten erschien zuerst auf Oberhessen-Live.