
ALSFELD (jal/akr). Wohin nur mit den ganzen Kassenzetteln, die seit der neuen Bonpflicht anfallen? „Am Besten ab zu den Experten damit“, dachte sich wohl ein Vogelsberger – und stellte dem heimischen Finanzamt einen ganzen Haufen davon zur Verfügung.
Ein Foto von der Aktion wurde an die OL-Redaktion gesandt. „Leider sind die angebrachten Briefkästen nicht mehr den neuzeitlichen Verhältnissen angepasst und sollten entsprechend größer werden“, hieß es in einer Mail dazu.
Der Grund, warum es das Gesetz gibt, ist eigentlich gar nicht verkehrt. Durch die Pflicht jeden Kauf mit einem Kassenzettel zu dokumentieren soll verhindert werden, dass Kassen manipuliert und der Staat so um Steuereinnahmen geprellt wird.
Aber an jeder Wursttheke und an jedem Bäckerstand werden deswegen seit Jahresbeginn endlose Kassenzettelschnüre produziert, die irgendwann anfangen, sich durch den Verkaufsraum zu schlängeln. Denn der Kunde – daran hat auch die neue Pflicht offenbar nichts geändert – will in sehr wenigen Fällen einen Kassenbon über den Brötchenkauf mit nach Hause nehmen. Erstellt werden muss der Beleg trotzdem. Der Handel klagt derweil über horrende Mehrkosten, die bei größeren Betrieben angeblich Tausende Euro im Monat betragen können. Der Effekt wird verstärkt, weil die Bons auch noch länger werden. Neuerungen wie QR-Codes sollen für mehr Sicherheit und Nachprüfbarkeit sorgen. Das lässt die Zettel wachsen.
„Pro Stunde eine Fichte“. Ab 2020 herrscht Kassenbonpflicht für Ladenbesitzer, zudem werden die bestehenden Kassenzettel im Schnitt um zwölf Zentimeter länger. Dadurch steigt der Papierbedarf – und damit auch die Müllberge. https://t.co/iol2iSTgsc pic.twitter.com/jij1rNm0SM
— WirtschaftsWoche (@wiwo) December 6, 2019
Schlaue Leute machen sich gerade Gedanken über Wege, die Kassenzettel digital aufs Handy zu schicken. Doch die Technik gilt einigen in der Praxis des Alltags als noch nicht ausgereift. Eine Umrüstung dürfte die Betriebe zudem nochmals eine Stange Geld kosten. Und wenn die Kunden keine ausgedruckten Kassenzettel mögen – warum sollten sie sich die Quittungen von kleineren Einkäufen dann als Datenmüll aufs Handy beamen lassen? Doch immerhin ist es theoretisch möglich, den Kassenzettel nur elektronisch vorzuhalten. Denn wichtig ist nur, dass ein Beleg irgendwie erstellt wird – nicht, dass er auf Papier vorliegt und wirklich mitgenommen wird.
Aber so lange die digitale Technik nicht flächendeckend eingesetzt wird, so lange wächst der Frust bei den umweltbewussten Verbrauchern, den Händlern sowieso – und vielleicht auch bei der Poststelle des heimischen Finanzamts. Wobei der Frustpegel bei den Alsfelder Fiskusvertretern vermutlich noch Platz nach oben haben dürfte. Denn wie die Behörde auf Anfrage mitteilt, ist es das erste Mal gewesen, dass der amtseigene Briefkasten mit Kassenzetteln übergequollen ist.
Bons werden zurückgesendet
Die Bons werden nun ordnungsgemäß an die Bäckerei zurückgeschickt, von der sie ursprünglich stammen. Die Begründung: Man habe sie ja nicht angefordert. Manchmal kann die Nüchternheit deutscher Behörden tatsächlich erfrischend sein. Die Geschäftsleitung der betreffenden Bäckerei habe sich übrigens von der Aktion distanziert. Auf einem anderen Foto, das OL vorliegt, ist zu sehen, wie sich Kassenzettel vor einer Theke des Geschäfts in einen Eimer hineinstapeln. Offenbar war der spätere Zusteller der Quittungen Kunde und hat sich aus dem Eimer bedient.
In der Pressestelle der Polizei kann man sich derweil ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen, als man die Beamten fragt, was sie als Vertreter der Staatsgewalt von der Zettelflut im Briefkasten der Kollegen halten. Kann man bestraft werden, wenn man dem Finanzamt unaufgefordert Kassenbons in Hülle und Fülle zustellt? „Das hängt natürlich davon ab, ob jemand Anzeige erstattet oder nicht. Aber auch dann liegt es an der Staatsanwaltschaft, jeden einzelnen Fall individuell zu betrachten“, lässt der Sprecher wissen. Bislang jedenfalls musste die heimische Polizei in einem solchen Fall nicht tätig werden.
Der Beitrag Kassenzettelflut im Briefkasten des Alsfelder Finanzamts erschien zuerst auf Oberhessen-Live.