
ALSFELD (ol/ls). Der Alsfelder Marktplatz soll saniert werden, das steht fest. Was bislang allerdings noch nicht feststand: Wie soll er danach aussehen? Beim zweiten Workshop zur Ausgestaltung des Marktplatzes stellte Bürgermeister Stephan Paule die von der Stadt favorisierte Variante vor: Ein Marktplatz mit weniger Parkplätzen. Der Startschuss für einen langen Abend mit hitzigen Diskussionen – und einem bereuenden Bekenntnis eines Vorgängers von Paule.
Wir erinnern uns zurück: Drei Varianten waren es, die beim ersten Workshop zur Neugestaltung des Alsfelder Marktplatzes Ende September vorgestellt wurden. Die erste Variante, war sehr nah an dem jetzigen Bestand. Lediglich neue Pflastersteine – auch in Variante zwei und drei – sind vorgesehen. Der Belag ist nämlich schon ein wenig in die Jahre gekommen – genauer gesagt liegen die Pflastersteine dort schon seit 1475. Kleinere Basaltsteine sollen für eine ebenere Fläche sorgen und für weniger Stolperfallen sorgen. „Die Rückseite des Rathauses könnte auch ein wenig optimiert werden, dann könnte man das Gastronomieangebot noch verbessern“, erklärte Michael Dorlas von der Planungsgruppe Biebertal damals.
In der zweiten Variante waren schon ein wenig mehr Änderungen vorgesehen – und schon die erste Neuerung sorgte für Diskussionsbedarf: Die Parkplätze könnten minimiert werden, indem man die zweite Parkreihe wegnimmt. Dadurch würde der Marktplatz an „Größe und Aufenthaltsqualität gewinnen“, wie es hieß. Neben der Minimierung von Parkplätzen könnte man auch durch kleine Bäume oder ähnlichem mehr „Grün“ auf den Platz bringen. Ein kleines Brunnenelement konnte man sich ebenfalls vorstellen.
Auch der Kirchplatz war Thema: Der sollte in Variante 2 als Ort der Ruhe umfunktioniert werden, um sich vor dem Trubel auf dem Marktplatz zurückziehen zu können. Hier könnte man sich auch über ein Spielangebot für Kinder Gedanken machen. Der Schwälmer Brunnen soll mehr in den Vordergrund rücken. In allen drei Varianten soll der nämlich saniert werden.
Die dritte Variante zeigte die größten Veränderungen: Ein autofreier Marktplatz, ohne Parkmöglichkeiten. „Der Platz würde noch mehr Aufenthaltsqualität gewinnen“, hob Dorlas im ersten Workshop hervor. Den Gastronomiebereich könnte man erweitern, den Platz durch ein Wasserspiel oder Pflanzen aufwerten. Den Schwälmer Brunnen könnte man auch in Richtung Turmdurchgang versetzten, auch dort würde er Dorlas zufolge ein weiteres Element darstellen.
Die aktuelle Situation auf dem Marktplatz
Mittlerweile liegen konkretere Planungen vor – jedenfalls bei der Stadt. Und die stellte Alsfelds Bauamtsleiter Tobias Diehl gemeinsam mit Bürgermeister Stephan Paule an diesem Freitagabend im zweiten Workshop vor.
Das „Korpus Delikti“ seien die Parkplätze auf dem Marktplatz. Aktuell gebe es 14 Parkplätze vor den Geschäften, sowie vier weitere Parkplätze plus zwei Behindertenparkplätze in zweiter Reihe.
Eine wenig zu beeinflussender Faktor bei der Planung sei der Ablauf von Regenwasser, da es auf dem Marktplatz ein Gefälle von mehr als 1,50 Meter vom Eingang des Weinhauses bis zur Ecke Hochzeitshaus gebe. „Das glaubt man nicht, hab ich auch zunächst nicht, ist aber so“, stellte Diehl die Situation dar. Auch weitere technische Gegebenheiten seien bei der Planung zu berücksichtigen. „Es gibt Gasleitungen, Wasserleitungen, Kriechkeller. Wir befürchten sogar, dass es mal eine Tankstelle auf dem Marktplatz gegeben hat,“ erörterte Diehl weiter.
Das klinge alles furchtbar groß, dabei seien die Meter schnell verbraucht. Alleine für die Parkplätze benötige man – mit Bürgersteig, zwei Parkreihen und Fahrbahn – rund 20 Meter Platz. Die Hälfte des Marktplatzes sei damit schon verbraucht. Aber auch die weiteren Wünsche der Bürger nach Sitzgelegenheiten, einer Elektroladestation für E-Fahrzeuge oder Fahrradständer würden die Gestaltung nicht leichter machen. „Braucht man wirklich all das?“, fragte Diehl in die Runde.
Auswertung der Bürgerbeteiligung
Nach Diehls Ausführungen über die Bestandssituation stellte Dorlas die wichtigsten Anregungen aus der Bevölkerung vor. Es habe eine Menge Anregungen gegeben, dadurch könne man auf die Wichtigkeit der Neugestaltung schließen. Insgesamt nahmen rund 70 Personen an einer Umfrage teil, die angeblich immer noch laufen soll. Die Mehrheit der Rückmeldungen wolle den Marktplatz autofrei: 50 Prozent votierten mit Ja, 25,9 Prozent mit Nein und 24,1 Prozent machten keine Angabe.
Zum Erhalt der Stellplätze votierten die Bürger wie folgt: 17,2 Prozent wollten alle Plätze erhalten, für eine Reduzierung (Variante 2) waren 12,0 Prozent für einen vollständigen Entfall waren 50 Prozent, keine Angabe machten 20,6 Prozent.
Bei der Abstimmung über die drei Varianten konnten sich besonders Variante 3 – die mit dem autofreien Marktplatz – durchsetzen: 42,1 Prozent stimmten für sie, vor Variante 1 „Erhalt“ mit 13,1 Prozent und Variante 2 „Reduzierung“. Bei den anderen Abstimmungen nach einem Wasserspiel oder Bepflanzung habe es kein klares Votum gegeben. Bei der Priorisierung wurde die Barrierefreiheit (10 Stimmen), öffentliche Sitzmöglichkeiten (11 Stimmen) und Fahrradabstellmöglichkeiten (6 Stimmen) genannt.
Wohin geht die Reise
Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule zeigte sich überrascht über die geringe Teilnehmerzahl bei der Abstimmung. 70 Teilnehmer, das seien sogar weniger Menschen als bei der ersten Sitzung da gewesen seien. „Ich finde es sehr schwierig, weil daraus nicht wirklich zu lesen ist, was die Bürger wollen. Es hat mich wirklich enttäuscht, weil wir da Zeit und Aufwand reingesteckt haben“, führte er aus. Diesen Abend waren geschätzt 50 Besucher in der Feuerwache.
Mehrere Gutachten haben der Stadt bescheinigt, dass Parkplätze sehr wichtig seien. Es brauche rund 200 Parkplätze in der Innenstadt, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Da diese Planung allerdings etwa zehn Jahre dauere, werde die Stadt daher den Markplatz flexibel und „modular“ darstellen.
Paule mit einer vierten Variante, das Publikum mit einer hitzigen Diskussion
„Ich empfehle folgende Variante“, legt sich Paule danach fest, „Es wird eine Umfahrung geben, die wird es immer geben – unabhängig von Parkplätzen“. Der Bereich vor den Häusern soll mit einer Parkreihe angelegt werden. In der Flucht des Rathauses werde es dann die Poller als Begrenzung der Fahrbahn geben. Es gebe eine Fläche, auf der Sitzplätze geschaffen werden können und es gebe einen Raum für Wasserspiele oder ähnliches. Auch vor dem Kartoffelsack „hinter“ dem Rathaus werde man eine „vernünftige“ Fläche schaffen, für die Nutzung von Außengastronomie. Am Schwälmer Brunnen werde der „Müllsammelplatz mit Trafostation“ auf den hinteren Kirchplatz verlegt.
Auf eine Anmerkung eines Zuschauers hin, dass sich dann ja „eigentlich nichts ändere, außer vier Parkplätze weniger“, gab es zustimmende Kommentare aus dem Publikum, dass das eben „nicht den Wünschen der Bürger entspreche“. Diehl argumentierte, dass es sich dabei ja nur um ein Konzept und keine Ausführungsplanung handele. Der aufkommenden Diskussion im Publikum tat das jedoch keinen Abbruch. Der Einwurf „es ist doch völliger Humbug jetzt ins Detail zu gehen, wenn das Konzept nicht stimmt“, brachte Paule dazu, die Präsentation zu unterbrechen und zur Diskussion freizugeben.
Dr. Jochen Zwecker: „Das ist doch städtebaulich nicht relevant“
Der ehemalige Bürgermeister Dr. Jochen Zwecker melde sich zu Wort und gestand ein, vor über 30 Jahren einen kommunalpolitischen Fehler gemacht zu haben – nämlich den Marktplatz für den Verkehr und Parkplätze freigegeben zu haben. Er sei in den vergangenen Wochen durch die Stadt spaziert und habe dabei 250 Parkplätze in der Innenstadt gezählt. „Die 15 Parkplätze auf dem Marktplatz können dabei doch städtebaulich nicht eine solche Relevanz haben“, führte Zwecker aus, der dabei viel Zustimmung aus dem Publikum erntete.
„Im Zusammenhang mit einem solchen Umbau muss man weiterdenken als nur für die nächsten paar Jahre. Ich habe vor 30 Jahren einer vorübergehenden Regelung zugestimmt, und jetzt – 30 Jahre später – sind sie noch immer da“, erklärte er.

Der ehemalige Alsfelder Bürgermeister Dr. Zwecker war es der vor über 30 Jahren die Parkplätze auf dem Marktplatz einrichtete und bezeichnet dies nun als schweren Fehler.
Peter Dörge, nach eigener Aussage „Verfechter eines autofreien Markplatzes“, war der Meinung, den Marktplatz komplett für Autos zuzumachen. Er stimmt Zwecker zu, dass man längerfristig denken müsse. „Alsfeld ist keine Einkaufsstadt, sondern eine touristische Stadt. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Leute gerne in der Innenstadt aufhalten, dann wird sicherlich auch etwas eingekauft.“ Jutta Homberger wohnt seit 14 Jahren am Markplatz und plädierte hingegen dafür, dass jeder Parkplatz gebraucht werde, weil die Besucher eben keine weiten Wege in Kauf nehmen würden. Aber auch Sitzgelegenheiten müsse es geben und Parkplätze für Anwohner.
Gerlinde Grebe vom Verein „Barrierefreies Alsfeld“ äußerte ihren Wunsch auf die Begehbarkeit des Marktplatzes zu achten. Dabei sei die Oberfläche entscheidend, dass diese barrierefrei – also eben und beispielsweise für Rollstuhlfahrer gut überquerbar – und rutschfest sein sollte. Mit Matthis Kruse oder aber Henner Muhl gab es an diesem Abend auch Verfechter der ersten Variante – bei der außer dem Pflaster eigentlich alles beim Alten bleibt.
Letztendlich übernahm wieder Paule nach einer hitzigen Diskussion das Wort. „In jedem Argument für die eine Variante verbirgt sich selbst ein Gegenargument für die andere. Letztendlich gibt es keine 100-prozentige Lösung, die alle Wünsche abdeckt“, erklärte er. Aus diesem Grund habe er den Kompromissvorschlag gemacht, dass die Parkplätze reduziert werden. Dieses Konzept könne nun weiterdiskutiert werden. Zumal die Variante eine gewisse Flexibiliät beinhalte, die eine Anpassung zu späterem Zeitpunkt möglich mache. „Wir machen mit dieser Variante die Sicht auf das Rathaus frei, bekennen uns aber auch zum Marktplatz als Wirtschaftsstandort.“, ergänzte Paule.
Wieder warf ein Teilnehmer ein, dass es wirke, als sei der Ausgang der Bürgerbefragung von vornerein geplant gewesen. Ein Vorschlag entspreche dem Status Quo, der andere sei ein extremer, zukunftsweisender Entwurf und dazu gebe es einen Kompromissvorschlag. Es sei fast klar gewesen, dass es dieser dann werden würde. Echte Bürgerbeteiligung sei es, diese Entscheidung in einem Bürgerentscheid abstimmen zu lassen.
Details zur Umsetzung des Konzepts
Nachdem alle Argumente ausgetauscht wurden, stellte Dorlas Details vor. So solle zum Beispiel die Zufahrt zum Marktplatz an der Oberen Fulder Gasse mit versenkbaren Pollern geregelt werden. Zum Material der Oberfläche gab es ein eigenes Konzept: In den Fahrbereichen und der Platzmitte solle es Basaltpflaster im Segmentbogenverband geben, so wie es bisher vorhanden ist. Die Beleuchtung des Platzes solle „selbstverständlich“ mit warmen LED-Lampen erfolgen.
Bei den Lampen solle es sich um „Mastleuchten“ handeln, da die „hängenden“ Lampen so aus Sicherheitsgründen nicht weiterbetrieben werden könnten. „Diese sollen rund um den Marktplatz stehen“, erläuterte Diehl, „selbstverständlich nicht mitten drin“.
Der Schwälmer Brunnen soll stehen bleiben wo er ist – das war der ausdrückliche Wunsch der Bürger. So solle er nur aufgearbeitet werden. Bezüglich der Wasserspiele auf dem Platz erörtere Dorlas, dass aufgrund der vielfältigen Nutzung des Markplatzes durch die Veranstaltungen nur ein bodengleiches Wasserspiel mit Sprudlern denkbar wäre. Das Raunen und Tuscheln im Publikum lies mutmaßen, dass dem Vorschlag größtenteils nicht zugestimmt wurde. Das Stadtmobilar solle mobil gestaltet werden, so dass es bei Veranstaltungen teilweise zurückgebaut werden könne.
Auch Fahrradständer sollen im gleichen Stil auf dem Marktplatz integriert werden. Die Notwendigkeiten wie Strom- und Wasserversorgung sollen über versenkbare Bodentanks realisiert werden. Damit kam Dorlas zum Ende seiner Präsentation und Paule bedanke sich ausdrücklich für die konstruktive und sicherlich zeitweise schwierige Mitarbeit bei Dorlas.
Ausblick und weiteres Vorgehen
Abschließend stellte Diehl das weitere Vorgehen vor. Er forderte die Anwesenden auf, vor dem Nachhausegehen auf den aufgestellten Tafeln ein Stimmungsbild abzugeben. Dabei sollten die Anwesenden Stempel auf einer Skala von „weniger wichtig“ bis „sehr wichtig“ aufbringen. Der endgültige Plan mit der konkreten Umsetzung soll voraussichtlich im Januar vorgestellt werden. Diehl hoffe dann bereits im Mai nächsten Jahres mit der Baumaßnahme beginnen zu können.
Ganz am Ende spielte Diehl nochmal auf die lediglich 70 Beteiligungen bei den Abstimmungen an und rief alle Bürger dringend dazu auf, sich auch weiterhin bei dem Prozess zu beteiligen. Auf der Webseite der Stadt Alsfeld steht ein Formular dazu bereit. Doch der Link dorthin, das musste OL gerade selbst herausfinden – ist äußert schwer zu finden.
Der Beitrag Heftige Kritik an Paules Plänen für den Marktplatz erschien zuerst auf Oberhessen-Live.