
ALSFELD. Die Idee ist nicht neu, doch diesmal könnte sie wirklich umgesetzt werden: ein autofreier Alsfelder Markplatz. Seitdem erste konkrete Vorschläge dafür bei einem Workshop vorgestellt wurden, diskutiert die Stadt darüber. Ist es von Vorteil, die Parkplätze am Rande des Markplatzes abzuschaffen? Ein Pro und Contra der OL-Redaktion.
Zum Artikel über den Workshop mit den vorgestellten Varianten geht es hier.
Pro, von Luisa Stock
Eins vorab: Ich bin kein Auto-Gegner. Ganz im Gegenteil. Ich fahre gerne Auto, auch mal kürzere Strecken, für die nicht immer unbedingt ein Auto nötig wären. Dennoch: Die Idee den, Alsfelder Marktplatz „autofrei“ zu gestalten, ist zwar bislang mehr Utopie als Realität, aber dennoch ein erstrebenswerter Schritt in die Zukunft.
Alsfeld ist nicht China, wo die Menschen sich mit Mundschutz durch die von Abgasen verstopfte Luft drängen. Nein, Alsfeld ist auch nicht Stuttgart, wo die Stickoxidwerte in der Luft die Grenzwerte teilweise um das Doppelte überschreiten. Gott sei Dank nicht. Zugegeben: An der Hauptschlagader des malerischen Städtchens – genau vor dem Eingang der historischen Altstadt, dessen verwinkelte Gassen zum wohl schönsten Stadtmittelpunkt des Kreises führen – herrscht schlechte Luft. Der Aufschrei war groß, als die inoffiziellen Stickoxidwerte der Umweltverbände für die Schellengasse im März bekannt wurden. Aber noch immer lehnt man sich zurück: Atmen geht noch. Grund zur Freude sollte das aber nicht sein. Ganz im Gegenteil.
Der Aufschrei sollte jetzt nicht enden, sondern zu einem Umdenken der Alsfelder führen – gerade jetzt, wo es darum gehen kann, den Alsfelder Marktplatz von Autos zu befreien. Stellen Sie sich vor, wie schön die Innenstadt wäre, wenn dort keine Autos am Rand parken und stattdessen viele kleine Tische und Stühle zum Verweilen einladen würden. Ein gutes Glas Wein, Sonnenschein, Bäume bewegen sich sanft im Wind. Kinder rennen freudig lachend über den Platz, ohne dass Eltern hektisch hinterherrennen, um die Schützlinge vor meist zu schnell fahrenden Autos auf dem Marktplatz abzuschirmen. Eine Utopie? Noch vielleicht. Aber vor einigen Jahren noch war das Internet utopisch. Heute können viele Menschen nicht einmal mehr einen Stadtspaziergang ohne öffentliche W-LAN Hotspots über sich ergehen lassen.

Luisa Stock, Redakteurin von Oberhessen-live
Die Alsfelder kennen es nämlich nicht anders, als schnell für eine kleine Besorgung direkt und bequem auf dem Marktplatz zu parken. Am bequemsten wäre es erst dann, wenn man direkt in dem Laden parken würde, damit man sich einen unnötigen Meter spart und auch zwei bis drei kostbare Minuten Zeit, die man später am Smartphone verbringen kann. Dabei wäre es genau das, was man in der heutigen schnelllebigen Zeit so dringend nötig hat: Entschleunigung. Die direkten Parkplätze auf dem Marktplatz sorgen für Hektik und deshalb sollten sie abgeschafft werden. Das geht aber nur, wenn auch die Menschen ihr Bewusstsein dafür schärfen.
In den vergangenen Wochen wurde der Marktplatz für Filmdreharbeiten zeitweise für Autos gesperrt. Das sichtbare Ergebnis: Eine gemütliche, ruhige und schöne Stadtmitte. Aber natürlich gab es auch hier Beschwerden einiger Bürger. Durch die Sperrung musste ein Parkplatz mit etwas mehr Fußweg aufgesucht werden, um die Geschäfte zu erreichen. Haben wir Menschen das Laufen verlernt? Vermutlich schon. Rund um die Stadt gibt es viele Parkplätze, die benutzt werden können, wohlwissend, dass die noch nicht ausreichen und noch weitere geschaffen werden müssten. Das kostet selbstverständlich Geld.
Dennoch: Fußläufig ist alles in der Stadt innerhalb weniger Minuten zu erreichen und um eine neue Jacke zu kaufen, dazu braucht man sein Auto nicht. Aber wie heißt es so schön? Der Mensch ist Feind dessen, was er nicht kennt.
Genau das machen sich die Alsfelder Geschäftsleute zum Argument. Ihnen würden durch die fehlenden Parkmöglichkeiten die Kunden weg bleiben. Gesehen haben will man das während der Filmdreharbeiten. Eine, meines Erachtens nach, zu kurze Zeitspanne, um eine solche Aussage zu treffen. Bekanntlich ist der Mensch doch ein Gewohnheitstier, der erst einige Zeit braucht, um sich an eine Veränderung zu gewöhnen. Geben Sie ihm die Zeit.
Contra, Juri Auel
Ich habe es an anderer Stelle schon mal geschrieben und schreibe es hier gerne wieder: Der Marktplatz ist das Schönste, was Alsfeld zu bieten hat. Das Rathaus umringt von kleinen, manchmal schiefen Fachwerkhäuschen strahlt eine unverwechselbare Gemütlichkeit aus. Und das schon seit vielen Jahrhunderten. Die Autos auf dem Marktplatz mögen ein optischer Störfaktor sein, doch die Parkmöglichkeiten dort sind wichtig, damit der Platz lebendig bleibt. Sie sind ein notweniges Übel, könnte man sagen.
Es ist an und für sich etwas sehr Gutes, dass sich die Verantwortlichen Gedanken machen, wie sich der Marktplatz noch hübscher gestalten lässt. Und es ist bestimmt deprimierend für sie, wenn die Ideen auf Widerstand stoßen. Die deutsche Landbevölkerung steht ja gerne in dem Ruf, aus Prinzip alles Neue schlechtzureden. Doch die Bedenken, die vor allem von Seiten der Gewerbetreibenden in der Nähe des Marktplatzes kommen, sind berechtigt.

Juri Auel, Chefredakteur von Oberhessen-live
Ihre Angst ist, dass ihnen schlicht die Kunden wegbleiben. Schon jetzt zu den Filmdreharbeiten in der Stadt waren viele Alsfelder sauer, dass sie zeitweise nicht auf dem Marktplatz parken konnten. Mal eben dort halten, um kurz zum Bürgerbüro zu hechten oder bei Ramspecks durchzuschnüffeln war nicht möglich.
Das hat selbstverständlich viel mit Bequemlichkeit zu tun, klar. Viele Autofahrer wären durchaus in der Lage, am Klostergarten oder in den Schellengasse ihr Auto abzustellen und dann auf den Markplatz zu laufen. Aber viele Menschen sind nun mal, man muss es so direkt sagen, schlichtweg faul. Sie werden ihr Auto nicht sonstwo stehen lassen, um dann auf den Marktplatz zu eiern. Sie werden ihre Erledigungen gleich dort hinter sich bringen, wo es sich leichter parken lässt – mit entsprechend negativen Folgen für die Geschäfte rund um den Markplatz, von denen schon jetzt viele wegen Besuchermangels schließen müssen. Man schaue sich nur die Obergasse an.
Das kann nicht Ziel der Verantwortlichen sein. Denn was nützt ein optisch hübscherer Marktplatz mit Bäumen und Sitzgelegenheiten, um den herum kein Leben in Geschäften, Shops und Restaurants mehr stattfindet? Dass wegen der optischen Umbauten mehr Leute in die Geschäfte kommen als durch die weggefallenen Parkplätze fortbleiben ist eine zu gewagte Wette.
Es sind im Übrigen nicht nur junge Autofahrer, die aus Bequemlichkeit am Markplatz parken. Es sind auch viele ältere, die froh sind um jeden Meter, den sie weniger auf Krücken oder unter Schmerzen hinter sich bringen müssen. Ob es um ihnen das Leben zu erleichtern auch angemessen ist, das historische und charakteristische Kopfsteinpflaster auf dem Marktplatz auszutauschen, wie es angedacht ist, wird ebenfalls noch zu diskutieren sein.
Was denken Sie? Sollte der Marktplatz autofrei werden?
Der Beitrag Pro und Contra: Soll der Marktplatz autofrei werden? erschien zuerst auf Oberhessen-Live.